– über Schnabeltiere und anderen Unfug
Sie kennen das sicherlich – die Hutablage Ihres Autos ist entzwei gebrochen, weil Sohnemann ein zu großes Loch für den Basslautsprecher hinein gesägt hat. Sehr ärgerlich, aber mit etwas Heißkleber und einer kleinen Fichtenholzleiste eines nicht mehr existenten (weil nie fertig aufgebauten) IKEA-Regals ist die Hutablage wieder wie neu, meinen Sie zumindest. Dass Sie das später noch mal richtig reparieren möchten, ist klar – doch bis zum Verkauf des Autos haben Sie das nie gemacht. Wieso auch? Ihre Konstruktion hat gehalten. Ihr Provisorium war einfach unschlagbar.
Minimaler Materialeinsatz und reduzierter Geld- und Zeitaufwand, die Verwertung aller Reste – das macht ein gutes Provisorium aus. Denn nicht umsonst heißt es: Ein Provisorium hält am längsten!
Aber glauben Sie nicht, der Mensch sei Erfinder des Provisoriums. Die halbe Umwelt besteht daraus – Mutter Natur hat es uns vorgemacht. Vor allem die Tierwelt strotzt nur so vor Notbehelfen.
Bestes Beispiel ist das Schnabeltier. Selbst Fantasiewesen wie der bayerische Wolpertinger wirken professioneller und wesentlich realer als dieser Vertreter der Kloakentiere (man nennt sie tatsächlich so – wohl nicht ohne Grund). Sein nächster Verwandter ist übrigens der Ameisenigel, aber das tut hier nichts zur Sache, obwohl auch der ziemlich meschugge aussieht.

Das Schnabeltier hat einen Körper wie ein Fischotter. Schönes Fell, elegant nussbraun-glänzend. Es lebt natürlich im Wasser, um sich pfeilschnell und geschickt fortzubewegen. Und dann hat es Entenfüße. Nur wesentlich hässlicher – ein wenig verkrüppelt wirkend, wie zu dick geratene Fledermausflügel. Und es hat einen Schnabel. Auch wie eine Ente, bloß ein wenig platt. Und natürlich legt es Eier. Als Säugetier.
Mal ehrlich – so ein Provisorium hätte selbst der beste Heimwerkerkönig nie schaffen können. Das Schnabeltier wirkt, als hätte der liebe Herrgott ein bisschen zu viel getrunken, als er die Tierwelt schuf. Zusammengesetzt aus Resten, platziert am kleinsten Kontinent der Erde, in Australien. Fressfeinde? Fehlanzeige. Diese zu schaffen wäre wahrscheinlich Zeitverschwendung gewesen.

Es finden sich noch viel mehr solcher ‚Übergangszustände‘, die sich erstaunlich gut in der Natur behaupten können (obwohl das Schnabeltier zweifellos ein Paradebeispiel ist). Und der Mensch reagiert! Dass merkwürdige Geschöpfe wie Gänse-Rehe (aus der Gattung des Geflügel-Wilds) sehr schmackhaft sind, nutzen immer mehr Fleischereien aus, ihren Kunden etwas Besonderes zu bieten. Dass diese Tiere ursprünglich vollkommen bekloppt aussahen, sieht man nach dem Zerlegen zum Glück nicht mehr.

Bilden wir uns nichts ein: Selbst MacGyver spielt nur in der untersten Provisorien-Liga. Die Natur kann es mal wieder am Besten. Aber lassen wir und dadurch nicht entmutigen. Bauen, reparieren und improvisieren wir weiter – denn spätestens nach der Ausrottung des letzten Lebewesens (z.B. durch einstürzende Carports, gebaut aus Altreifen und Waschmittelkartons) sind wir die Nummer Eins auf diesem Planeten.